"Zufall ist keine Strategie"

Die Korrektur als Stresstest – Lernresistenz ablegen

Die Emotionen sind zurück. Auch in dieser Korrektur wird wieder deutlich: Menschen sind nicht für die Börse gemacht. Die Evolution hat uns für den Überlebenskampf in einer rauen Umwelt „konstruiert“. Wir sind ständig am Kämpfen oder Flüchten. Aus diesen Grundprinzipien entstehen viele kuriose und destruktive Verhaltensmuster.

Die Medien nutzen diese Verhaltensweisen zur Steigerung der Aufmerksamkeit und spielen mit den Ängsten und Hoffnungen. Man reagiert dabei als Anleger zunehmend emotional, verfällt in Panik und manchmal auch in Euphorie. Für die Geldanlage ist das äußerst kontraproduktiv. Diese Muster können nur mit viel Erfahrung und Selbstdisziplin umgangen werden. Grundsätzlich gilt: In jeder Korrektur aus dem Boot zu springen ist keine gute Strategie. Man beraubt sich damit selbst. Die langfristigen Renditechancen der globalen Aktienmärkte werden damit per Definition verpasst.

Lernen fällt vielen Anlegern furchtbar schwer

Vor allem Männer unterliegen immer wieder einer gewissen Selbstüberschätzung. Die Analogie zum Fußball passt meist perfekt. Auf der Börsen-Tribüne sitzen tausende Bundestrainer, würden die Mannschaft viel besser aufstellen und könnten sich zur Verstärkung des Teams auch noch selbst einwechseln. Man zählt immer nur seine Erfolge und vermeintlichen „Treffer“. Misserfolge und „Gegentreffer“ werden nicht mitgezählt oder untergewichtet. Was für die Motivation des Jägers in der Steinzeit noch hilfreich war, ist an den modernen Finanzmärkten fatal. Erfolge seinem eigenen Können zuzuschreiben und bei Misserfolgen anderen die Schuld zu geben, steht jedem Lerneffekt entgegen!

Zufall wird mit Strategie verwechselt

Immer wieder lesen wir von tollen Anlageideen, vermeintlich treffsicheren Chartanalysen oder „optimalen“ Handelsstrategien. Sich schneidende Durchschnittslinien und diverse technische Indikatoren sollen „sichere“ Kauf- und Verkaufssignale generieren. Kaum ein Börsenbrief hat nicht einen „Wunder-Indikator“ parat. „Belegt“ wird der angebliche Vorteil dieser Vorgehensweise oft mit Situationen, in denen diese Handlungsweise von Erfolg gekrönt gewesen wäre. Unterzieht man diese angeblichen „Erfolgsstrategien“ einer detaillierten und historischen Überprüfung, fällt schnell auf, dass es sich oft um simplen Zufall handelt. Kern dieser vermeintlich sinnvollen Strategien ist meist, bei tieferen Kursen zur Risikovermeidung zu verkaufen. Der viel sinnvollere, kaufmännische Gedanke des „günstig-kaufen-und-teurer-verkaufen“ wird hierbei auf den Kopf gestellt. Die Analogie zum Fußball passt erneut: Die Anzahl der Gegentreffer vieler Strategien übersteigt die Anzahl der Treffer oft erheblich. Nachhaltig erfolgreiches Investieren hat damit nichts zu tun. Der ständige Versuch, die Märkte kurzfristig und in jeder Börsenphase schlagen zu wollen, geht fast immer schief. Zufall ist keine Strategie!

Helden des Augenblicks

Diese Übergewichtung des Faktors Zufall hat einen sehr realen Praxisbezug. Anleger kaufen immer gerne die besten Aktien, Fonds oder sonstigen Produkte der jüngsten Vergangenheit. Die Wertentwicklung der letzten Tage, Wochen, Monate oder manchmal auch Jahre dient als wichtigstes Kriterium. Hierdurch erklärt sich auch, dass fast immer prozyklisch agiert wird. Am Ende eines Bärenmarktes sind immer die Produkte gefragt, die sich im Bärenmarkt gut schlagen konnten. Für den kommenden Bullenmarkt aber nicht sonderlich geeignet sind. Am Ende eines Bullenmarktes werden verstärkt die riskantestes Aktienfonds gekauft, die zwar in der Endphase des Bullenmarktes toll liefen, meist dann aber im beginnenden Bärenmarkt am schlimmsten unter die Räder kommen.

Bedenken Sie stets: Menschen handeln viel öfter emotional statt rational und investieren gerne dort, wo es sich im jetzigen Augenblick gerade gut anfühlt. Die Erfahrung und Börsenhistorie zeigt jedoch, dass gerade diese Vorgehensweise absolut schädlich für ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis ist. In der Korrektur seiner Angst nachzugeben macht wenig Sinn. Jedem Hype folgen zu wollen erhöht fast immer die Risiken!

Volatilität richtig interpretieren

Diese emotionalen Handlungsweisen haben nachhaltig negative Effekte: Aus Angst vor Wertschwankungen verzichten viele Anleger prinzipiell auf eine Aktienanlage. Die jetzige Korrektur „bestätigt“ wieder einmal viele Dauerskeptiker. Andererseits ist es gerade diese Volatilität, die den Aktienmarkt zur langfristig erfolgreichsten Anlageklasse macht. In gewisser Weise ist es der Preis, den man bezahlen muss, um diesen langfristigen Renditevorteil zu erhalten.

Fakt ist: Den „Wohlfühlfaktor“ schlechthin wird es im Aktienmarkt wohl niemals geben. Es ist und bleibt für unerfahrene Anleger äußerst schwierig, mit Volatilität umzugehen. Der Gewöhnungseffekt stellt sich leider kaum ein - jede unruhige Phase ruft wieder neuartige Ängste hervor. Das Gefühl, dass die Volatilität größer ist als in vorangegangenen Phasen, tritt dabei permanent auf. Fast immer trügerisch.

2015 wirklich außergewöhnlich?

Das Börsenjahr 2015 ist im historischen Vergleich zwar nicht von übermäßiger Volatilität gekennzeichnet, die beiden letzten Monate haben aber - im Anschluss an die eher „ruhigen“ Börsenjahre 2013 und 2014 - so manchen Anleger erschreckt. Wirkt die Volatilität nach oben, wird sie nicht als solche wahrgenommen. Immerhin konnte der DAX im ersten Quartal über 20 Prozent zulegen. Mittlerweile bewegt sich der deutsche Leitindex aber wieder ganz leicht unter dem Niveau vom Jahresanfang - und schon ist die Diskussion über „gefährliche Volatilität“ in vollem Gange.

Bevor man sich Gedanken über die optimale Verarbeitung von Korrekturen und Wertschwankungen macht, ist vor allem eins nötig: Akzeptanz. Wer akzeptiert, dass Volatilität ein essentieller Bestandteil der Aktienmärkte ist, der hat den größten Schritt bereits getan. Wer diese Lernaufgabe ignoriert, der bringt seine langfristige Rendite in ständige Gefahr. Das Resultat: Übergeordnete Trends werden verpasst, Markttiming geht mit einer hohen Trefferquote schief.

Was lernt man aus dem „Schwarzen Montag“?

Stop-Loss-Limite bieten die Möglichkeit, sozusagen „automatisch“ an diesen zahlreichen Trading-Kleinkriegen teilzunehmen. Denn selbst absolute Aktienschwergewichte zeichnen sich durch eine Volatilität aus, die tendenziell klar unterschätzt wird. Einige Resultate des „Schwarzen Montags“ am 24. August 2015 auf Tagesschlusskursbasis: Apple -2,5 %, Facebook -4,6 %, Starbucks -4,7 %, JPMorgan -5,3 %, Pepsico -4,6 %. Was hier natürlich nicht ersichtlich wird, ist der wilde Tagesritt. Hier zeigt sich ein viel extremeres Bild: Apple verliert im Tagestief 17,8 % auf das Kurshoch des vorherigen Handelstages, Facebook 19,3 %, Starbucks 23,3 %, JPMorgan 23,5 % und Pepsico 21,7 %.

Kurze, prägnante Tiefpunkte, die Stunden oder bereits Minuten später wieder ausgemerzt sein können - und die in keiner Schlusskursbilanz auftauchen. Aber das Stop-Loss-Limit schläft nun mal nicht. Am Ende des Tages verlieren Anleger fünf von fünf Qualitätsaktien, die ihr Stop-Loss-Limit bei -15 % gesetzt haben. Drei von fünf sogar bei -20 %! Die massive Erholung bis zum Ende des Handelstags verläuft ohne sie. Ausgestoppt! Ernüchternde Zahlen, die andeuten, warum die positiven Renditen des übergeordneten Trends teilweise kaum beim Anleger ankommen. Stolperfallen wie diese treten sehr häufig auf, in welcher Form auch immer.

Fazit

Der aktuelle Bullenmarkt ist immer noch äußerst unbeliebt. Der Markt lädt niemanden offiziell zur großen Renditevergabe ein – nicht umsonst nennt ihn mein Partner Ken Fisher gerne den „großen Erniedriger“ (The Great Humiliator). In dieser unruhigen Phase ist deshalb relevant: Der übergeordnete Bullenmarkt ist intakt. Lassen Sie sich nicht in Kleinkriegen zermürben! Verwechseln Sie Zufall nicht mit Strategie!

Weitere umfangreiche Auswertungen und überraschende Ergebnisse sind in unserem Update der Kapitalmarktprognose für 2015 erhältlich. Sie können sich diese Prognose unter www.gruener-fisher.de anfordern.

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