"Neue Regierung - alte Pattsituation"

Die Ampel-Koalition beginnt

Neue Konstellationen, neue Gesichter – was ist von Deutschlands neuer Regierung zu erwarten? Zumindest hat Bundeskanzler Olaf Scholz das erste kleine Ziel erreicht, die Regierungsbildung noch vor Weihnachten abzuschließen. Ansonsten lässt die neue Agenda vermuten, dass größtenteils der Status quo fortgeschrieben wird. Denn die offiziellen Pläne der Ampel-Koalition sind nur noch ein Schatten der Wahlversprechen der einzelnen Parteien.

Keine Überraschungen

Das verwundert nicht, da sich in der Regierungskoalition nur wenige ideologische Überschneidungen finden und die Kompromissbildung sozusagen zur Grundvoraussetzung für politische Entscheidungen wird. Es ist gut möglich, dass auch weiterhin wichtige Initiativen verwässert werden, wenn in endlosen Debatten nach Kompromissen gerungen wird. In erster Linie bedeutet dies: Die neue Regierung wird keinen komplett neuen Kurs nach dem Ende der Ära Merkel einschlagen, sondern sich in politischen Pattsituationen wiederfinden. Für viele Wähler, die sich aus dem Wahlkampf heraus viel erhofft hatten, stellt diese erzwungene Mäßigung eine Enttäuschung dar. Für den deutschen Aktienmarkt ist die Aussicht auf eine gemäßigte Unsicherheit jedoch positiv, sie können weiterhin vom geringen legislativen Risiko profitieren.

Die ersten Kompromisse

Christian Lindner wird das Amt des Finanzministers übernehmen, Annalena Baerbock wird Außenministerin, ihr Parteikollege Robert Habeck erhält das „Superministerium“ für Klima und Wirtschaft. Was die Politik betrifft, so wird die Eindämmung von COVID in nächster Zeit wahrscheinlich alles dominieren – viel Arbeit für den neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Zu den bereits geschlossenen Kompromissen gehört die Einhaltung der verfassungsmäßigen Schuldenbremse auf Drängen der FDP, welche den Spielraum für eine Erhöhung der Ausgaben einschränkt - was möglicherweise die Pläne zur Erhöhung der Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben gefährdet. Ebenso wird der Ausgabenspielraum auch dadurch eingeschränkt, dass Steuererhöhungen vermieden werden sollen. Es würde uns also nicht überraschen, wenn der Streit um die Ausgaben die Spaltung der Koalition vertieft und die politische Pattsituation weiter gefestigt wird.

Auch die Energiepläne könnten zu Spannungen führen. Der Koalitionsvertrag enthält die Zusage, den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 statt bis 2038 zu beschleunigen, was ein großer Erfolg für die Grünen ist - auch wenn es vielleicht etwas seltsam ist, inmitten einer Energiekrise ein solches Versprechen zu geben. Insgesamt schätzen wir die Bemühungen der neuen Regierung allerdings nicht als grundlegenden Kurswechsel im Vergleich zur Großen Koalition unter Merkel ein. Viel eher ist eine gewisse Kontinuität zu beobachten, in Bezug auf innerparteiliche Differenzen und strukturelle Uneinigkeit innerhalb der Regierungskoalition.

Fazit

Der Ampel-Koalition wird es nicht gelingen, die politische Pattsituation in Deutschland aufzulösen. Eher im Gegenteil: Die ausgeglichene politische Landschaft mit einer starken Opposition und hohem Potenzial für Uneinigkeit innerhalb der Regierung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem „frischen Wind“ ein „laues Lüftchen“ wird. Tendenziell werden große Veränderungen, die Aussicht auf substanzielle Umverteilungen und sonstige politische Unsicherheiten von den Märkten negativ aufgenommen. Somit ist der politische Stillstand am Ende positiv für den deutschen Aktienmarkt.

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