"Aktienmärkte unter Beschuss"

2022 im Krisenmodus

Am vergangenen Wochenende hat Russland die ukrainische Souveränität geleugnet, die abtrünnigen Provinzen des Landes - Luhansk und Donezk - offiziell als unabhängige Staaten anerkannt und Truppen in diese Provinzen entsandt. Einige NATO-Mitgliedsstaaten reagierten mit unmittelbaren Sanktionen, die Ölpreise erhöhten sich sprunghaft und die globalen Aktienmärkte befinden sich – in US-Dollar gerechnet - offiziell im Korrekturmodus. Viele Anleger machen sich große Sorgen.

Aus gesellschaftlicher Sicht ist die militärische Eskalation eine humanitäre Katastrophe, aber darum kümmern sich die Aktienmärkte nicht. Sie sind kaltherzig und rational, wenn es darum geht, die Auswirkungen eines Konflikts zu bewerten. Regionale Konflikte können sich erheblich auf die Anlegerstimmung auswirken und zu kurzfristigen Rückgängen führen – genau so, wie es Anleger aktuell erleben. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer realen Gefahr für den globalen Bullenmarkt.

Märkte reagieren auf Überraschungen

Die Haltung Russlands hat sich im Grunde seit der Krim-Annexion im Jahr 2014 nicht großartig verändert. Seit vielen Jahren setzen sich die Aktienmärkte mit den territorialen Ansprüchen Russlands auseinander. Mit der Versammlung russischer Truppen entlang der Grenze sahen viele die offiziellen Aktivitäten in Luhansk und Donezk als ausgemachte Sache an. Die wichtigste Frage war, wie viel der Westen aushalten würde, bevor er wirtschaftlichen Druck ausübt, und darüber herrscht jetzt Klarheit.

Wohin die Reise genau geht, ist ungewiss. Mittlerweile rücken russische Truppen auf Kiew vor. Einige geopolitische Analysten sind der Meinung, dass Putins Hauptziel darin besteht, die Ukraine aus der NATO und der EU herauszuhalten. Es gibt jedoch auch Spekulationen, dass er die Lieferketten für strategische Gase und Mineralien, die durch die Ukraine verlaufen, stärker kontrollieren will, um mehr Einfluss auf die westlichen Streitkräfte und die Tech-Industrie zu haben. Beschränken sich die Kampfhandlungen auf die Ukraine oder breiten sie sich in Osteuropa aus? Wie wirksam sind die Sanktionen der NATO-Mitglieder und wie schmerzhaft werden die russischen Gegenmaßnahmen ausfallen? Es gibt unzählige Szenarien, und die weit verbreitete Diskussion hilft den Aktienmärkten, mit ihnen umzugehen. Je mehr Gerede es jetzt gibt, desto geringer ist die negative Überraschungskraft, wenn tatsächlich etwas Schlimmeres passiert.

Wahrscheinlichkeiten zählen

Letztendlich geht es an den Aktienmärkten um Wahrscheinlichkeiten, nicht um Möglichkeiten. Regionale Konflikte führen unweigerlich zu lokalen wirtschaftlichen Problemen. Der zweistellige Rückgang des MSCI Russia ist ein Beleg dafür. Solange sich der Konflikt jedoch nicht global ausweitet, sind die Schäden in der Regel zu gering und lokal begrenzt, um Bärenmärkte zu verursachen. Von allen Konflikten seit Beginn der Aufzeichnungen des S&P 500 im Jahr 1925 verursachte nur der Beginn des Zweiten Weltkriegs einen Bärenmarkt. In den meisten Fällen gerieten die Aktienmärkte kurzfristig unter Beschuss, als die Spannungen eskalierten, aber sie erholten sich, sobald oder kurz nachdem die Kämpfe ausbrachen.

Fazit

Machen Sie sich auf eine fortgeführte, erhöhte Volatilität gefasst. Ängstliche Schlagzeilen können kurzfristige Reaktionen auslösen. Aber irgendwann gehen die Märkte wieder dazu über, die Fundamentaldaten kühl und rational zu bewerten. Aus unserer Sicht werden sie erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen globalen Konflikt, der eine weltweite Rezession auslösen kann, äußerst gering ist.

Zurück