"Aktien brauchen weiterhin keine Zinssenkungen"
Fed im Dauerfokus
Anleger werden von der latenten Sorge geplagt, dass die Wahrscheinlichkeit für Zinssenkungen seitens der Fed geringer werden könnte. Denn weiterhin ist die Annahme weit verbreitet, dass die aktuelle Börsenrally und die Dynamik der US-Wirtschaft ein jähes Ende finden könnten, wenn die Fed die Zinsen nicht senkt. Wir sind nach wie vor anderer Meinung.
Es ist nachvollziehbar, dass hohe Zinsen für die meisten Anleger kein Vergnügen sind. Viele Banken haben sie nicht an die Einleger weitergegeben, dafür aber bereitwillig in die Kreditzinsen eingepreist. In den USA haben die hohen Hypothekenzinsen den Immobilienmarkt zum Erliegen gebracht, höhere Kreditkosten - und die Befürchtung, dass sie eine Rezession auslösen könnten - veranlassten auch die Unternehmen in den letzten zwei Jahren zu Kürzungen und Personalabbau.
Unbeeindrucktes Wachstum
Trotz alledem ist die US-Wirtschaft weiter gewachsen. Auch die Aktienmärkte erholten sich zügig vom Bärenmarkt im Jahr 2022, welcher unter anderem durch die schnellen Zinserhöhungen ausgelöst wurde. Die ersten Monate des neuen Bullenmarkts waren von hohen Renditen geprägt, während die Fed weiterhin Zinserhöhungen in einem aggressiven Tempo durchführte. Wenn wir also davon ausgehen, dass die Aktienmärkte und die Wirtschaft mit den hohen Zinssätzen ganz gut zurechtgekommen sind, dann sehen wir keine Grundlage für die Behauptung, dass Zinssenkungen für ein anhaltendes Wachstum und robuste Aktienrenditen notwendig sind. Die Aktienmärkte haben fast anderthalb Jahre damit verbracht, diese Behauptung zu widerlegen.
Selbst wenn Sie glauben, dass die Erwartung von Zinssenkungen den Aktien Auftrieb gegeben hat: Die jüngsten Inflationsdaten haben diese Erwartungen immer weiter in die Ferne gerückt, so dass das erwartete Tempo der Zinssenkungen langsamer geworden ist und immer mehr Gerüchte auftauchen, dass es in diesem Jahr keine Zinssenkungen mehr geben wird. Dennoch zeigen sich die Aktienmärkte unbeeindruckt und notieren aktuell in der Nähe ihrer Rekordwerte.
Bahnt sich ein Führungswechsel an?
Was Zinssenkungen in Verbindung mit der weiteren Reduzierung der Fed-Bilanz bewirken könnten, ist eine steiler werdende US-Zinsstrukturkurve. Während das US-BIP während der Inversion der Zinsstrukturkurve gewachsen ist, hat sich die Kreditvergabe verlangsamt, und die Unternehmen mussten sich stärker auf die Anleihemärkte und private Kredite verlassen. Das kam den großen, qualitativ hochwertigen Unternehmen mit Wachstumsprofil entgegen, die ihre starken Bilanzen nutzen können, um sich auf diesen Märkten zu vernünftigen Preisen zu finanzieren. Für die kleineren und typischerweise Value-orientierten Unternehmen, die mehr auf Bankkredite angewiesen sind, war die Situation jedoch nicht so günstig. Sollte die Zinsstrukturkurve steiler werden, könnte sich das Kreditwachstum wieder beschleunigen, was wirtschaftlich sensitiven Value-Werten entgegenkommen würde. Wobei natürlich die spannende Frage ist, wie sich das Zusammenspiel zwischen Kreditvergabe und Zinsstrukturkurve letztendlich darstellt.
Fazit
Zinssenkungen könnten einen Wechsel der Führungsrolle von Wachstumswerten zu Value-Werten bewirken – das ist durchaus möglich. Diese Aussage ist jedoch weit davon entfernt, dass Aktienmärkte Zinssenkungen brauchen, um sich weiterhin positiv zu entwickeln. Längst haben die Aktienmärkte bewiesen, dass dies nicht der Fall ist – wodurch die aktuellen Diskussionen vor allem verdeutlichen, dass die Skepsis noch nicht vollständig aus den Märkten entwichen ist. Und das ist ein gutes Zeichen.