Das 5-jährige traurige Jubiläum der Anschläge vom 11. September 2001 war in den letzten Tagen ein präsentes Medienthema. Diverse Rückblicke, Sondersendungen und Diskussion wechselten sich ab. In vielen Internetforen wurden wieder reihenweise Verschwörungstheorien ausgetauscht. Eine recht gefährliche Sache...
Die hohe Mediengläubigkeit ist erstaunlich
Menschen sind großteils visuelle Wesen. Wir sind es gewohnt, das zu glauben, was wir sehen oder lesen. Kritisches Nachdenken haben wir offenbar weitestgehend "verlernt". In meiner täglichen Arbeit erlebe ich dieses Phänomen sehr häufig. Besonders schön: Im letzten Jahr sagte ein Zuhörer - auf einem Vortrag von mir - einen erstaunlichen Satz. "Aber Herr Grüner, das steht doch in der Zeitung". Er hat dieses Problem damit unbewusst, aber sehr treffend beschrieben. Meine kurze Antwort: "Dann fragen wir uns mal: Wie kommt es denn dahin?" Zeitungen und Fernsehsender haben in den letzten Jahren starke Konkurrenz bekommen: Das Internet. Und das führt zu völlig neuen Verbreitungswegen skurriler Meinungen und Thesen.
Gefährliche Internetthesen
Das Internet ist für viele Menschen eine neue "virtuelle Heimat" geworden. Man chattet, diskutiert in Foren zu den verschiedensten Themen und bewertet "gemeinsam" Nachrichten und Ereignisse. Oftmals ist es so, dass Menschen mit ähnlichen Sichtweisen und Meinungen sich in den diversen Boards versammeln. Es entsteht eine "gefährliche Gruppendynamik", und man neigt unbewusst dazu, dieser dort herrschenden Mehrheitsmeinung zu vertrauen und sie auch zu glauben. Plötzlich werden dann die absurdesten Verschwörungstheorien plausibel und glaubwürdig. Und man sitzt in der "virtuellen Meinungsfalle", in der - wie es unser jetziger Papst einmal ausdrückte - unwirklichen Wirklichkeit! Nachdenken und angebliche Zusammenhänge kritisch zu hinterfragen - und auch zu überprüfen - ist ein elementarer Bestandteil meiner täglichen Arbeit in der Vermögensverwaltung für meine Kunden. Ungeprüft angeblich wichtigen Meldungen, Nachrichten und Zusammenhängen Glauben zu schenken ist an der Börse extrem gefährlich und anschließend meist auch teuer.
Ein schönes Beispiel
Vielleicht kennen Sie den 1999 mit dem deutschen Filmpreis ausgezeichneten Thriller "23 - Nichts ist so wie es scheint". Er erzählt die Geschichte des jungen Computerfreaks Karl Koch, dessen Hobby es ist, sich in Datennetze einzuklinken. Die Mächte des Bösen scheinen ihm weltweit vernetzt zu sein und er verfängt sich zusehends in einer wilden Verschwörungstheorie. Im Verlauf des Films fällt es ihm zunehmend schwerer, zwischen Realität und seinen Wahnvorstellungen zu unterscheiden. Liest man sich in diversen Diskussionsforen ein, stellt man durchaus fest, dass viele User haarsträubenden Thesen Glauben schenken.
Der Zahl 23 wird gerne eine mystische Bedeutung zugeschrieben. Auch in besagtem Film. Die 23 und auch ihre Quersumme 5 werden in Robert Anton Wilsons und Robert Sheas Romanserie Illuminatus-Trilogie in einer selbst erdachten Numerologie als Zahlen des Unglücks, der Zerstörung sowie nicht zuletzt der Illuminaten bezeichnet. Schnell hatten findige Kerlchen nach den Anschlägen vom 11.09.2001 die angebliche Quersumme 11+9+2+1 als 23 im Ergebnis gedeutet. Dass die tatsächliche mathematische Quersumme 1+1+9+2+1=14 beträgt, wurde dabei "vergessen". Frei nach dem Motto: was nicht passt wird passend gemacht.
Es braucht nicht viel Mühe, um solchen Unsinn zu konstruieren. Mein Sohn Tim wurde zum Beispiel am 13.10.2003 geboren. 13+10=23 und wenn man in der Jahreszahl die Nullen weglässt, kommt man auch auf die 23. Diese kleine Zahlenspielerei wird abgerundet durch ein erfreuliches Ereignis. An diesem Montag kam meine Tochter Lena Sophie zur Welt. Ihr Geburtsdatum: Der 11.09.2006. Wenn das mal keine Grundlage für eine Verschwörungstheorie ist.
Fazit
Es hat sich in der öffentlichen Diskussion eine Art "Beweislastumkehr" eingebürgert. Man kann noch so abenteuerliche Thesen im Internet aufstellen, ohne deren Wahrheitsgehalt selbst beweisen zu müssen. Die Erfinder dieser Theorien warten darauf, dass Ihnen das Gegenteil bewiesen wird. An den Finanzmärkten führt dies dazu, dass viele angebliche Zusammenhänge und Regeln in den Medien gerne thematisiert werden. Prüft man jedoch gründlich nach, stellt man fast immer fest, dass die Zusammenhänge falsch und nicht nachzuweisen sind. Eigenes Nachdenken bekommt man nicht abgenommen und der Glaube an wilde Theorien ist fast immer kostspielig.