Warum sind Sie so unvernünftig?

Verfügbarkeit als Indikator für mittelfristige Börsenprognosen

Das Interesse an psychologischen Theorien in der Kapitalmarktforschung nimmt in den letzten Jahren stark zu. Es wurden vermehrt Untersuchungen durchgeführt, die zeigen, dass die Rationalität von Menschen eher begrenzt ist. Für seine Forschungen in diesem Bereich erhielt der Psychologe Kahneman 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Kahneman untersuchte in seinen Arbeiten unter anderem die so genannten Urteilsheuristiken. Urteilsheuristiken sind einfache Denkstrategien, die es Menschen erlauben, Entscheidungen zu treffen, ohne sich intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen. In diesem Beitrag soll der mögliche Einfluss der Verfügbarkeitsheuristik an einigen Beispielen erläutert werden. Mein Mitarbeiter - Herr Dr. Dirk Dauenheimer - beleuchtet den psychologischen Hintergrund dieses Verhaltens:

Verfügbarkeitsheuristik

Die Verfügbarkeitsheuristik tritt bei der Einschätzung von Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten auf. Die prognostizierte Häufigkeit hängt dabei von der Leichtigkeit ab, mit der Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen werden können. Je leichter einer Person ein Ergebnis einfällt, desto häufiger wird es wohl auftreten. Die Verfügbarkeit kann an folgendem Beispiel veranschaulicht werden: Führen Sie das Beispiel doch zum Spaß mal im Selbstversuch durch. Antworten Sie dazu bitte auf folgende Frage: Welches sind die häufigsten Ursachen für Todesfälle? Antworten Sie dabei möglichst spontan! Vielleicht nennen auch Sie die häufigsten Todesarten wie Diabetes, Herzinfarkt und Krebs. Es gibt aber immer wieder Ursachen, die überschätzt werden. Klassische Beispiele, die auch immer wieder in meinen Vorträgen und Diskussionen genannt werden, sind Verkehrsunfälle und Morde. Da über Morde und Verkehrsunfälle in den Medien häufiger berichtet wird und man sich deshalb leichter daran erinnert, wird ihre Häufigkeit überschätzt.

Praktische Umsetzung

Wie kann man diese Ergebnisse nun auf den Kapitalmarkt übertragen? Wir untersuchen regelmäßig die Einschätzungen von Risiken für die verschiedenen Anlageklassen (Aktien, Anleihen und Rohstoffe) und berücksichtigen diese in unseren Anlagestrategien. Wir stellen dabei immer wieder fest, dass die Risiken der verschiedenen Anlageklassen unterschiedlich beurteilt werden. Fast alle Teilnehmer an unseren Befragungen schätzen das Risiko von Anleihen als gering ein. Sie haben in den letzten Jahren sehr gut mit Anleihen und Rentenfonds verdient. Es gab keine größeren Ausfälle und die Ratings von vielen Unternehmen und Schwellenländern haben sich in den letzten Jahren stark verbessert. Wie häufig schreiben die Anleger diesen Trend in die Zukunft fort und glauben, dass Sie auch weiter 5% und mehr mit Rentenfonds verdienen können. Um weiterhin so hohe Renditen zu erzielen, müssten jedoch die Zinsen weiter sinken und dies scheint nur noch in begrenztem Maße realistisch zu sein. Anders sieht es immer noch bei Aktien aus. Nach dem langen Crash waren Anleger bis vor kurzem immer noch stark verunsichert. Viele Anleger schätzten und schätzen das Risiko von Aktien immer noch sehr hoch ein. Der Anstieg der Aktien wurde lange Zeit als Bärenmarktrallye bezeichnet und die günstigen Kurse wurden kaum zur Erhöhung der Aktienquote genutzt. Die Anzahl der Aktionäre hat lange Zeit abgenommen und stieg erst vor kurzem wieder an. Noch immer werden große Summen auf Geldmarkt- und Festgeldkonten geparkt. Viele Anleger glauben, dass wir über kurz oder lang wieder einen ähnlich starken Rückschlag im Aktienmarkt bekommen, weil sie es gerade erlebt haben. Diese erhöhte Verfügbarkeit für Risiken am Aktienmarkt hat auch zum Siegeszug von Bonus- und Garantiezertifikaten beigetragen, da Anleger gerne ihr Risiko nach unten absichern wollen. Genau das Gegenteil zeigt sich in einer anderen Anlageklasse, nämlich den Rohstoffen. Hier haben die Anleger in den vergangenen Jahren kräftig investiert. Es gibt immer mehr Anleger, die in Rohstoffe investieren wollen. Ich schaue mir dabei gerne an, wie häufig private Anleger und Profis über ein Thema sprechen. In den letzten Jahren haben die Artikel und die Anzahl der Vorträge zu diesem Thema sehr stark zugenommen. Dabei wurde auch gleich ein neuer Begriff eingeführt: der Superzyklus der Rohstoffe. Es wird auch gleich ein Zeitraum für diesen Superzyklus genannt, der in der Regel mehr als 15 Jahre andauern sollen. Tatsächlich schätzen die meisten Anleger die Risiken im Rohstoffbereich immer geringer ein. Immer mehr Anleger wollen in diesem Bereich investieren. Dieser Trend von hohen Geldzuflüssen und geringer Abgabebereitschaft kann die Kurse in bestimmten Bereichen noch viel höher treiben. Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es auch in diesem Bereich zu Kursrückschlägen kommen wird und es stellt sich die Frage, wie sich das wahrgenommene Risiko im Rohstoffsektor dann ändern wird. Wir gehen davon aus, dass die unterschiedliche Verfügbarkeit von Risiken der verschiedenen Anlageklassen die Investitionsbereitschaft wesentlich beeinflusst. Das Risiko von Anlagen im Aktienmarkt wird immer noch als hoch eingeschätzt, ist im letzten Jahr aber wieder leicht rückläufig. Trotzdem sind wir von einer Euphorie noch weit entfernt. Im Gegensatz dazu, werden die Risiken im Rohstoffbereich als sehr gering eingeschätzt. Dieser Trend kann dabei noch eine ganze Zeit anhalten. Je steiler der Trend nach oben führt, desto stärker können auch die Rückschläge sein. Ein Investor sollte sich z.B. einmal einen Goldchart der letzten 30 Jahre ansehen. Wenn nun Risikoeinschätzungen tatsächlich einen großen Einfluss auf das Investitionsverhalten haben, dann stellt sich die Frage, warum man seine Risikoeinschätzungen nicht einfach ändert. Das Problem besteht darin, dass die Urteilsheuristiken relativ einfache Strategien darstellen, die aber nur schwer durch rationale Überlegungen zu verändern sind. Dies soll wiederum an einem Beispiel verdeutlicht werden. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Flugzeug und dieses Flugzeug muss plötzlich eine Notlandung machen. Viele Menschen werden daraufhin das Risiko von Flügen deutlich höher einschätzen. Das gleiche gilt für den Aktienmarkt. Viele Menschen schätzten und schätzen das Risiko von Aktien nach dem Crash am Aktienmarkt sehr hoch ein. Es dauert eine lange Zeit, bis das Risiko eines neuen Aktiencrashs weniger verfügbar wird. Dieses Phänomen gilt nicht im Rohstoffbereich. Hier ist der letzte Crash schon längst vergessen. Aber auch hier wird sich die Verfügbarkeit ändern, wenn der neue Superzyklus abgeschlossen ist. Denn auch hier handelt es sich um einen Zyklus und nicht um einen ständigen Kursanstieg.

Fazit

Da diese Urteilsheuristiken unser Verhalten beeinflussen, aber nur schwer zu verändern sind, sollte man sich bei seinen Entscheidungen immer wieder diese Probleme vor Augen führen. Wir als Vermögensverwalter untersuchen ständig das Verhalten anderer Anleger und lassen es als eine wichtige Anlagestrategie in unsere Investmententscheidungen einfließen.

Zum Autor:

Dr. Dirk Dauenheimer, geboren am 23.01.1963, studierte an der Universität Kiel. Anschließend promovierte er und arbeitete an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland (Universität Gießen, Universität Mannheim, University of North Carolina at Chapel Hill, USA). Er arbeitete in dieser Zeit mit verschiedenen renommierten Forschern zusammen und veröffentlichte seine Ergebnisse in zahlreichen Buchbeiträgen und internationalen Zeitschriftenartikeln. Dabei beschäftigte er sich mit verschiedenen Gruppenphänomenen, kognitiven Fehlern und Stimmungen, die das Verhalten von Menschen beeinflussen können. Er ist derzeit als Sales Manager und im Bereich Behavioral Finance von Grüner Vermögensmanagement tätig.

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