Blutige Nasen!
Das sollte viele Anleger bald böse erwischen.
Die negativen Analystenkommentare hinsichtlich der weiteren Aussichten in den großen US-Indizes nehmen zu. Europäische Aktien seien eindeutig zu bevorzugen - amerikanische Werte eher zu meiden - liest und hört man an jeder Ecke. Aktien der Schwellenländer werden deutlich übergewichtet. "Rohstoffpreise werden nie wieder fallen" hörte ich diese Woche in einem Fernsehinterview. Ein "Superzyklus" soll das im Rohstoffsektor sein. Ok. Warten wir einmal ab. Das Risikoverhalten der meisten Anleger hat sich gefährlich in Richtung Sorglosigkeit verschoben. Kleine - bereits sehr gut gelaufene - Aktienmärkte in den Emerging Markets und vor allem Rohstoffwerte werden in den Depots extrem hoch gewichtet. Kleine Korrekturen werden schnell wieder als Nachkaufgelegenheit bezeichnet. Eine Blase bildet sich, die niemand sieht...
Die alten "Helden" sind zurück
Sie erinnern sich sicher an die diversen Fondsmanager, Börsenbriefschreiber und "Staranalysten", die im Börsenhype Anfang 2000 als "Reichmacher" verehrt wurden, nur um anschließend umso tiefer zu stürzen. Diese Entwicklung verläuft immer nach dem gleichen Schema. In guten Börsenzeiten achten Anleger fast nur auf die Performance. Ein möglichst hoher Gewinn ist das oberste Kriterium ihrer Entscheidungen. Das führt dazu, dass die kleinen und eher unbeachteten Fonds, die in der jüngsten Vergangenheit am besten gelaufen sind, große Mittelzuflüsse erhalten. So läuft das eben. Die Regel lautet: "Mit kleinem Geld nach oben - mit großem Geld nach unten". Am Neuen Markt beispielsweise hat dies dazu geführt, dass viel mehr Geld vernichtet als vorher geschaffen wurde. Eine ähnliche Entwicklung werden wir jetzt wieder erleben - nur viel selektiver.
Sorglosigkeit macht sich breit
Es wird fast nur noch auf die Performance geachtet, Risiken werden nahezu ausgeblendet. Die von uns derzeit im Rahmen unserer Depotchecks überprüften Depotkonten beinhalten fast nur noch Small und Mid Caps aus den Bereichen Rohstoffe und den Emerging Markets. Die stetige Übergewichtung als Trendfolge-Verhalten in diesem Bereich ist gewaltig - und nicht minder gefährlich! Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Schätzen Sie das Risiko in Ihrem Depot nüchtern ein!
Psychologischer Hintergrund
Die Ursache dieser Entwicklung ist schnell erklärt. Wir - als Menschen - unterliegen alle den gleichen Gesetzmäßigkeiten: Erfolge, Gewinne und allgemeine Zustimmung bestärken uns in unserem Handeln. Misserfolge, Verluste und Kritik lassen uns vorsichtiger werden. Während sich fast alle Investoren am Hochpunkt des Börsenhypes Anfang 2000 sehr sicher gefühlt hatten, so war das Gegenteil zwischen Oktober 2002 und März 2003 festzustellen. Übergroße Angst und Vorsicht haben die Anleger nahezu paralysiert. Und heute?
Überholmanöver laufen
In den letzten drei Jahren habe ich mich mit meiner sehr bullishen Marktmeinung sehr wohl gefühlt. Ich war eher der Außenseiter. Das gefällt mir immer gut. Auf allen Seminaren, Vorträgen und Diskussionen erhielt ich nur ungläubiges Kopfschütteln als Reaktion auf meinen positiven Ausblick. Vor etwas mehr als einem Jahr - anlässlich meines Vortrages in der Frankfurter Wertpapierbörse - fragte mich in der anschließenden Diskussionsrunde ein Zuhörer: " Herr Grüner, wenn Sie mir bis Ende des Jahres 5% garantieren können, dann werde ich morgen bei Ihnen Kunde". Meine Antwort damals: "5% zu garantieren wäre unseriös, ich gehe aber davon aus, dass Sie mehr als 10% bei uns verdienen werden". Allgemeines Gelächter unter den Zuhörern, 10% mit Aktien bis zum Jahresende verdienen zu können, erschien fast allen Zuhörern utopisch. Und? Es wurden im DAX über 25%. Der MSCI-World legte um ca. 20% zu. Kunden unserer Vermögensverwaltung legten seit April 2005 zwischen 25% und 40% zu. In unseren hochspekulativen Depots schafften wir nahezu 100%.
"Das hätte auch mehr sein können" rechnen mir heute einige Kunden vor und listen die Topp-Performer des letzten Jahres auf. "Warum hatten Sie nicht nur Rohstoffwerte und die BRIC-Staaten (Brasilen Russland, Indien, China) im Depot?" werde ich gefragt. Dazu fällt mir ehrlich gesagt nicht viel ein. Oftmals sind gerade die ängstlichsten Anleger der letzten Jahre, heute die größten Optimisten. Ein gefährliches - und ausschließlich emotional geprägtes - Verhalten. Die Investoren haben sich seltsam aufgesplittet: Die eine Hälfte hat wirklich dazugelernt und verfolgt eine nachhaltige und durchdachte Strategie. Die andere Hälfte jedoch ist gerade dabei, die gleichen Fehler des Jahres 2000 zu wiederholen: Einseitige Ausrichtung, keine sinnvolle Benchmark und wenig durchdachte Diversifikation - allgemein gesehen mit einer viel zu riskanten Depotausrichtung unterwegs. Das wird - wie immer - übel enden!
Selbstüberschätzung steigt rapide an
Ich kann mich an dieser Stelle ebenfalls nicht oft genug wiederholen: Schätzen Sie ihre Fähigkeiten, Erfahrungen, theoretischen Kenntnisse und Ihren möglichen Zeitaufwand für Ihre Depotführung nüchtern ein. Vor einigen Wochen hatte ich eine interessante Diskussion, in dessen Verlauf der folgende Satz meines Gesprächspartners fiel: "Das ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der braucht keinen Vermögensverwalter". Diese Denkweise ist in Deutschland weit verbreitet. "Geiz ist geil" und "das kann ich doch auch selbst" lautet die Devise - und ist meiner Meinung nach an den Finanzmärkten sehr teuer. In den USA haben fast alle vermögenden Kunden unabhängige Vermögensverwalter, auch in der Schweiz ist diese Art der Vermögensbetreuung weit verbreitet. In Deutschland liegen die Quoten eher im "Entwicklungslandbereich".
Fazit
Die wichtigste Regel im Depotmanagement lautet: Grobe Fehler vermeiden! Chancen korrelieren immer eng mit Risiken. Ein vernünftiges Chance-Risiko-Verhältnis ist die oberste Maxime. In einem Umfeld - wie aktuell - in dem fast nur noch auf eine möglichst hohe Performance geachtet wird, sollten Sie eher auf die Risiken achten. Als leidgeprüfte Anhänger des 1.FC Kaiserslautern wissen wir, dass eine Verstärkung in der Defensive dringend notwendig ist - nicht nur im Fußball - auch in Ihren Depots. Achten Sie verstärkt auf Qualität! Ich wünsche Ihnen ein frohes Osterfest und ein paar besinnliche Tage im Kreis Ihrer Familie. Es grüßt Sie herzlich, Ihr Thomas Grüner