Ist unser Mut ausgewandert?

Sind wir zu wenig "Amerikaner"?

In diesen Tagen wird viel über die positiven und negativen Auswirkungen der Globalisierung geredet. Vergessen wird dabei sehr oft, was denn "Globalisierung" im Sinne des Wortes wirklich bedeutet...

Kennen Sie Buttenheim oder waren Sie schon einmal da gewesen? Ich muss gestehen, ich hätte das bis vor einigen Wochen auch noch nicht gewusst. Kennen Sie Levi?s Jeans? Sicherlich. Der Jeanserfinder Levi Strauss ist zum Beispiel auch ein Buttenheimer! Er wurde in der dortigen Marktstraße 33, am 26. Februar 1829, als Löb Strauß geboren. Doch Sie fragen sich sicherlich, was das denn mit der Börse zu tun hat? Ich werde es Ihnen erzählen...

Belastete Beziehungen

Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist auf politischer Ebene seit dem Herbst 2002 "belastet". Über die Gründe und Ursachen kann man sich trefflich streiten. Das gehört auch gar nicht hier hin. Bedenklich stimmt mich, dass sich in den letzten Jahren eine "anti-amerikanische" Stimmung breit gemacht hat. Auch über diese Gründe kann man lange diskutieren und die Ursachen sind sicher zu vielfältig, um sie an dieser Stelle hinreichend zu erörtern. Ich werde Ihnen deshalb über mein persönliches, deutsch-amerikanisches Verhältnis berichten.

Was ist eigentlich Amerika?

Vor mehr als 300 Jahren sind die ersten Deutschen nach Amerika eingewandert, nach Pennsylvania. Es gibt heute - wenn man den Statistiken glaubt - weit mehr als 50 Millionen Amerikaner, die deutsche Vorfahren haben. Es gibt also fast so viele "deutsche Amerikaner", wie es Deutsche in Deutschland gibt. Wenn man sich die Statistik genauer anschaut, dann sieht man, dass aus keinem anderen Land so viele Einwanderer nach Amerika gekommen sind, wie aus Deutschland. Denken Sie an John Rockefeller oder Walter Chrysler, an Henry Steinway oder an den besagten Levi Strauss aus Buttenheim. Sie alle haben deutsche Vorfahren. An dieser Stelle der Geschichte, kommt Buttenheim zurück ins Spiel. Mein amerikanischer Freund und Partner, der CEO und Gründer von Fisher Investments, Kenneth L. Fisher - besser einfach "Ken" - ist eigentlich auch ein Buttenheimer. In der letzten Woche haben wir uns in Buttenheim getroffen und gegenüber des 1774 (zwei Jahre vor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung) erbauten Schlosses übernachtet. Ken?s Urgroßvater ist ebenfalls zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Buttenheim geboren worden. Gemeinsam mit Levi Strauss ist er 1847 von Buttenheim in die USA (nach San Francisco) ausgewandert. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Der Name "Levi?s" ist heute, fast hundert Jahre nach dem Tod ihres Erfinders (1902), der Inbegriff für die Jeans schlechthin, keine Marke ist bekannter. Und Ken?s Firmensitz ist noch heute in Woodside, direkt neben San Francisco.

Ist der Mut ausgewandert?

Begriffe wie "Angst" und "german angst" haben es in amerikanische Wörterbücher geschafft. Unsere fast schon sprichwörtlichen Sorgen und diversen Ängste vor der Zukunft sind Thema vieler Diskussionen. Man hat fast den Eindruck, dass ein ganzes Volk "auf die Couch" muss. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung sind erheblich. Wir bekommen kaum noch Kinder und verfallen in eine depressive, paralysierte Stimmung. Nicht nur volkswirtschaftlich ist diese Entwicklung gefährlich. Wenn man mit Amerikanern oder Deutschen, die in den USA leben, können Sie dieses Verhalten oft nicht nachvollziehen und verstehen nicht unsere übergroße Zukunftsangst, die viele positive Entwicklungen der letzten Jahre überdeckt. Erinnern Sie sich an die letzte US-Raumfährenmission - der Discovery? Fast täglich wurden wir mit den Gefahren dieser Unternehmung in den Medien bombardiert. Ich las hierzu - passend zum Thema - eine schöne Aussage der amerikanischen Kommandantin Eileen Collins, die bereits vor dem Abflug sagte: "Ja, Weltraumflüge sind riskant. Aber sie sind viel sicherer als das, was unsere Vorfahren gemacht haben, als sie den Atlantik überquerten".

Brauchen wir tatsächlich Werbung für mehr Mut?

Die aktuelle Werbekampagne "Du bist Deutschland? ist von 25 Medienunternehmen ins Leben gerufen und von der Bertelsmann AG koordiniert worden. Mehr als 40 prominente und nicht prominente Bürgerinnen und Bürger sprechen sich gemeinsam für ein ?Manifest? für Deutschland aus. Hilft uns das wirklich weiter?

Patriotismus gehört sich nicht

Sie erinnern sich sicher an die unsinnige Diskussion zum Thema Patriotismus vor einigen Jahren. Darf man denn wirklich sagen, dass man "stolz sei, ein Deutscher zu sein", wurde damals heftig und kontrovers diskutiert. Amerikaner beantworten diese Frage einfach: Mein Nachbar - alles andere als ein Fan von George W. Bush - hat ein amerikanisches Fähnchen im Rasen stecken. Was denken Sie, würde ein deutsches Fähnchen in meinem Garten - bei vielen Beobachtern - für Assoziationen wecken?

Fazit

Wenn Sie das nächste Mal in der Nähe von Buttenheim sind, besuchen Sie doch einmal das Levi-Strauss-Museum, in das sein Geburtshaus umgebaut wurde. Und wenn Sie sich dort die - eindrucksvoll und mit viel Liebe zum Detail aufbereiteten - Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit betrachten, dann erinnern Sie sich daran: Wir können oft viel mehr als wir uns vorstellen können. Und wir brauchen dazu auch keine Amerikaner zu sein. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein schönes Wochenende.

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