Hohes Risiko!
Die Gefahren sind erheblich - aufpassen!
Ein Regierungswechsel gilt als ausgemachte Sache. Die Umfragen sprechen eine recht eindeutige Sprache. Die deutschen Märkte haben sich bereits auf einen Regierungswechsel eingestellt und sind in den letzten drei Monaten um fast 20% angestiegen. Wo liegen die aktuellen Gefahren?
Aktuelle Umfrage-Werte
Die aktuellste Forsa-Umfrage vom 03. August sieht die CDU/CSU bei 45%, SPD 26%, Grüne und FDP je 7%, die Linkspartei 12%, die sonstigen Parteien kommen auf 3%. Ein CDU/CSU-FDP-Bündnis käme demnach auf eine satte Mehrheit im Bundestag. Angela Merkel würde mit einer bequemen Mehrheit regieren können. Doch genau in diesen Umfragewerten liegt die "Gefahr" für die Märkte. Das negative Überraschungspotential ist außerordentlich hoch, denn ein Regierungswechsel gilt als sicher.
Die Daten der Wahlbörse
Wetten auf den Wahlausgang sind nicht nur in Großbritannien und den USA sehr beliebt. Sie sind auch sehr genau. Tagesspiegel Online, Zeit.de, Handelsblatt.com und die Neue Osnabrücker Zeitung haben in Deutschland wieder die Internet-Börse "Wahlstreet" eröffnet. Gehandelt werden auf dem gemeinsamen virtuellen Parkett dieser Handelsplattform alle Aktien von Parteien, die an der Bundestagswahl am 18. September teilnehmen. Ziel der "Wahlstreet" ist eine möglichst exakte Prognose über den Ausgang der Wahl. In den letzten Jahren haben diese "Wahlbörsen" - fast immer - das tatsächliche Ergebnis genauer vorausgesagt als die Wahlforscher. Die Regeln an der "Wahlstreet" sind denkbar einfach: Jeder Teilnehmer setzt zwischen 5 und 50 Euro Startkapital ein, gehandelt wird bis kurz vor 18 Uhr am Wahlabend. Am Ende bekommt jeder Händler den Gegenwert seiner Aktiendepots wieder ausbezahlt. Der Auszahlungskurs bemisst sich allerdings nicht am letzten Handelskurs der Aktien, sondern am tatsächlichen Wahlergebnis. Dadurch wird aus dem Aktienmarkt ein Prognoseinstrument, denn jeder einzelne Händler versucht mit seinen Handelsaktivitäten möglichst genau das vermutete Wahlergebnis zu treffen. In der Masse der Teilnehmer entsteht daraus eine Wahlprognose. Die abgegebenen "Tipps" sind vor allem ernsthafter, da es ja schließlich um das eigene Geld der Teilnehmer geht. Die "Prognosemotivation" ist wesentlich höher.
Das Risiko
Die Wahlbörse handelt mehrere "Produkte". Diese beinhalten die Wetten auf das Ergebnis der Parteien, die möglichen Koalitionen und den wahrscheinlichsten neuen Bundeskanzler. Die aktuellen "Kurse" bzw. Ergebnisse weichen von denen der Wahlforscher und deren Umfragen deutlich ab. Die aktuellen Daten: CDU/CSU 40,72%, SPD 29,17%, Grüne 8,36%, FDP 7,45%, die Linkspartei 10,89% und Sonstige 3,40%. Eine CDU-CSU-FDP-Koalition käme demnach auf zusammen 48,17%, die Opposition aus SPD, Grüne und Linkspartei auf addierte 48,42%. In dieser Rechnung sind mögliche Überhangmandate natürlich noch nicht berücksichtigt. Es wird jedoch ein Punkt klar ersichtlich: Es ist sehr knapp! Ein sicherer Sieg ist das noch lange nicht. Deutlich wird das auch beim Handel der Koalition. Hier liegen die aktuellen Kurse fast gleichauf. Eine große Koalition aus CDU/CSU/SPD bei 51,50 und CDU/CSU/FDP bei 52,23. Rot-Grün liegt bei "aussichtslosen" 0,01, ebenso wie ein denkbares Bündnis aus SPD, Grüne und Linkspartei mit 0,01 notiert. Rechnerisch kurios ist der Handel zum nächsten Bundeskanzler. Obwohl eine denkbare Koalition, mit einem Kanzler Schröder an der Spitze als extrem unwahrscheinlich gesehen wird, steht sein individueller Kurs dennoch bei 13,63 gegenüber Angela Merkel bei 87,80.
Die Bedeutung für die Börse
Der Regierungswechsel ist eingepreist und wird mit überragender Wahrscheinlichkeit von den Bundesbürgern und natürlich auch ausländischen Investoren erwartet. In den USA gilt Angela Merkel als ausgemachte nächste - und damit auch erste - Bundeskanzlerin. Eine Frage bleibt offen: Wer wird der Koalitionspartner von CDU/CSU. Die SPD oder die FDP? Und genau hier liegt das "Problem" für die Aktienmärkte. Sollten CDU/CSU und FDP keine ausreichende Mehrheit der Sitze im nächsten Deutschen Bundestag erringen, ist sicherlich eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD die wahrscheinlichste Variante. Wäre diese aber stabil? Ich befürchte nein!
Die Realität
Eine Kanzlerin Angela Merkel als Chefin einer großen Koalition hätte vermutlich zwei Probleme: Sie hätte immer eine rechnerische Mehrheit der "eigentlichen" Opposition aus SPD, Grüne und Linkspartei im Nacken und wäre daher vermutlich eine sehr "schwache" Kanzlerin. Ein konstruktives Misstrauensvotum durch einen weiteren Linksruck der SPD wäre theoretisch jederzeit möglich, sollten diese drei Parteien zusammen über eine Mehrheit der Sitze im Bundestag verfügen. Ein weiteres - bisher wenig gesehenes - Problem ist die Sitzverteilung im Bundesrat, in dem eine große Koalition keine Mehrheit hätte. Die FDP säße quasi - als Koalitionspartner der CDU/CSU in vielen Bundesländern und damit im Bundesrat - indirekt mit in der Regierung.
Fazit
Die Aktienmärkte freuen sich offensichtlich bereits über einen Regierungswechsel und eine neue Kanzlerin Angela Merkel. Die Aussichten sind daher widersprüchlich und Überraschungspotential ist auf "beiden Seiten" vorhanden. Sollte Angela Merkel wider Erwarten den Sprung ins Kanzleramt nicht schaffen, würde dies sicher ein erhebliches Rückschlagpotential für den DAX beinhalten. Da aber kaum jemand Angela Merkel eine grundsätzliche Verbesserung der binnenwirtschaftliche Lage und des Arbeitsmarktes in Deutschland zutraut, würde ihre Wahl auch ein gewaltiges, positives Überraschungspotential im Laufe ihrer Amtszeit beinhalten. Die Zeiten werden volatiler!