Eine verblüffende Erkenntnis...

Das wird Sie sicher überraschen.

Wer kennt nicht den Spruch vom "Land der unbegrenzten Möglichkeiten"? Reihenweise hat Hollywood dieses Thema aufgegriffen und die Geschichte "vom Tellerwäscher zum Millionär" verfilmt. Was hat das aber mit Börse zu tun, fragen Sie sich sicherlich. Eine Menge!

Amerikaner und (West-)Europäer unterscheiden sich deutlich

Zwei französische Ökonomen (Roland Bénabou und Jean Tirole) haben dieses Thema näher untersucht. Norbert Häring hat hierzu im Handelsblatt einen interessanten Beitrag verfasst. "Die beiden Franzosen haben einige verblüffende Dinge festgestellt: Die Studien zeigen, dass die Chance für den Einzelnen zum sozialen Aufstieg in Amerika nicht anders sind als in Europa - unterschiedlich ausgeprägt ist allein die Wahrnehmung. Die meisten Menschen wollen an eine faire Welt glauben, in der Leistung und Anstrengung durch sozialen und ökonomischen Aufstieg belohnt werden. Im sprichwörtlichen "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" betrachten sich die Menschen seit Generationen stärker als in Europa als des eigenen Glückes Schmied. Daher sind sie grundsätzlich weniger willens, Erfolglose an ihrem wohlverdienten Glück teilhaben zu lassen - weniger soziale Sicherung ist die Folge. Dadurch wiederum wird es für den Einzelnen um so wichtiger, sich und seine Kinder zu Leistung zu motivieren - man ist eher geneigt, die Welt durch selektive Wahrnehmung als fair zu sehen und ist besonders empfänglich für entsprechende Propaganda. Die Konsequenz: Die politische Unterstützung für Umverteilung erodiert weiter. In Europa dagegen können es sich weniger Erfolgreiche eher leisten, an der Gerechtigkeit der Welt zu zweifeln - schließlich gibt es in der Ausgangslage mehr soziale Sicherung und, daraus folgend, auch mehr Unterstützung für Umverteilung. Und so realitätsfern der Optimismus der Amerikaner auch sein mag, für große Teile der Bevölkerung hat er positive ökonomische Folgen. Weil die US-Bürger in Bezug auf die Früchte ihrer Anstrengungen optimistischer sind - und weil sie davon weniger an den Staat abgeben müssen - arbeiten sie mehr und erreichen einen höheren Wohlstand. Gekniffen sind allerdings in den USA die sozial oder in ihren Fähigkeiten Benachteiligten. Sie tragen die Hauptlast der psychologischen Kosten. Sie werden besonders stark stigmatisiert und leiden stärker unter ihrer eigenen Erfolglosigkeit - schließlich können sie ihre Situation weniger leicht den äußeren Umständen zuschreiben. Damit mag die hohe Kriminalitätsrate in den USA zusammenhängen, die dann womöglich indirekt eine Folge des amerikanischen Traums wäre."

Ökonomische Fakten sind einfach

Die ökonomischen Fakten sind recht simpel, werden von uns Deutschen aber gerne bestritten: Amerikaner arbeiten durchschnittlich länger als Europäer, haben einen deutlich kürzeren Jahresurlaub von ca. 16 Tagen und bekommen Krankheitstage üblicherweise auf ihren Urlaub angerechnet. Ein Großteil der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse ist auf den erheblichen Unterschied der Jahresarbeitsstunden zurückzuführen. Sie erinnern sich sicher an die Diskussion des Kalendereffektes: In Jahren mit weniger Feiertagen, die auf Werktage fallen, ist das Wirtschaftswachstum höher. Allein dieser Effekt erklärt einen Großteil des unterschiedlichen Wirtschaftswachstums zwischen den USA und Europa. Man kann dies durchaus überspitzt formulieren: Während wir Deutsche uns am Strand über die schwachen Wachstumsraten unserer Wirtschaft beschweren, wird in den USA gearbeitet.

Börse und Motivation

Ein Großteil der Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der USA lässt sich auch durch das unterschiedliche Anlageverhalten der privaten Investoren - der Bürger bzw. Einwohner des jeweiligen Landes - in den letzten Jahrzehnten erklären. Amerikaner sind grundsätzlich eher bereit, für eine höhere Rendite etwas mehr zu riskieren und bevorzugen für ihre langfristige Vermögens- und Altersvorsorge die Aktienmärkte. Vor allem im risikoaversiven Deutschland lieben wir - zwei Währungsreformen mit nahezu Totalverlusten in diesen Anlageformen zum Trotz - unser Sparbuch und festverzinsliche Anlagen. Gerne wird hierbei auf die angeblich zu geringe Sparquote in den USA verwiesen. Diese ist ebenfalls durch das unterschiedliche Anlageverhalten und durch Mängel bzw. Unterschiede in der Erhebung zu erklären: Vermögenszuwächse durch Preissteigerungen im Aktien- und Immobilienmarkt der letzten Jahrzehnte werden nicht korrekt berücksichtigt.

Fazit

Die Unterschiede in der Motivation und im Anlegerverhalten zwischen uns " alten Europäern" und den Amerikanern sind erheblich. Ein differenzierter Blick auf die USA ist sicher nötig. Nicht vergessen - bei der in diesen Zeiten so gerne geäußerten Kritik an den USA - sollte man vor allem, dass ein Großteil der Amerikaner europäische Vorfahren haben. So schlecht können unsere genetischen Voraussetzungen zu mehr wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit also nicht sein. Und so dumm sind wohl auch die Amerikaner - die ja von "uns" abstammen - auch nicht. Die Wahrheit liegt wohl wie so oft auf dem Platz - und in diesem Fall in der Mitte. Ein wenig mehr Motivation und Risikobereitschaft könnte uns Europäern nicht schaden...

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