Erstaunliche Parallelen

In den letzten Wochen wurde uns eine große Anzahl von verschiedenen Wertpapierdepots eingereicht. Die ersten Ergebnisse sind eindeutig und zeigen die typischen, strategischen Mängel. - ausschließliche Konzentration auf deutsche Werte oder Technologieaktien - Modetrends werden favorisiert (China, Indien, Russland, Hedge Fonds) - zu hohe Gewichtung einzelner, oft hochspekulativer Aktien - zu häufige Umschichtung der Depotwerte und damit verbunden hohe Transaktionskosten - fehlende Erfolgskontrolle (willkürliche Zusammenstellung des Depots ohne erkennbare Strategie)

Diversifizieren - aber wie?

Das Deutsche Aktieninstitut empfiehlt auf seiner Website: Nie alles auf eine Aktie setzen. Die Anlagemittel sind vernünftig zu verteilen, aber man darf sich auch nicht verzetteln: Ein Depot sollte aus mindestens fünf, aber auch nicht mehr als zehn verschiedenen Aktien bestehen. Sind zu viele Aktien im Depot, verliert man leicht die Übersicht. Die laufende Überwachung ist wichtig, um die Zusammensetzung des Depots der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Eine sinnvolle Streuung von Vermögenswerten ist mit lediglich zehn Einzelaktien natürlich nicht möglich, eine globale Ausrichtung - zur Vermeidung unnötiger Risiken - schon gar nicht. Als grobe Richtschnur sollten Anleger einen möglichst marktbreiten Index heranziehen. Es empfiehlt sich, hierfür den von Morgan Stanley Capital International berechneten MSCI-World-Index zu nutzen, der die weltweite Marktkapitalisierung so realitätsnah wie möglich abbildet (siehe Grafik). Eine alleinige Konzentration auf deutsche Werte beispielsweise erhöht das Risiko eines Wertpapierdepots drastisch. Die Gewichtung deutscher Aktien beträgt im weltweiten Vergleich lediglich 3% (!).

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Gefährliche Selbstüberschätzung

Welche psychologische Ursache steckt hinter den meisten Anlegerfehlern? Menschen neigen grundsätzlich dazu, sich selbst zu überschätzen. Bei Männern ist diese Eigenschaft - viele Untersuchungen und Studien belegen dies - noch stärker ausgeprägt. Die modernen Kommunikationsmöglichkeiten und Quellen zur Nachrichtenbeschaffung verstärken diesen Trend. Viele Anleger durchkämmen jeden Tag verschiedene Internetseiten nach neuen Nachrichten, Analysen und Kommentaren zum Markt. Sie glauben, daraus einen Wissensvorsprung gegenüber anderen Anlegern ableiten zu können, was jedoch nicht der Fall ist. So erklärt sich auch, dass 80 Prozent der männlichen Amerikaner ihre soziale Kompetenz als oberhalb der Mitte einstufen oder dass über 90 Prozent der männlichen Deutschen sich für überdurchschnittliche Autofahrer halten. Dass sie sich köstlich über diese Umfrageergebnisse amüsieren können, ohne im Geringsten an ihrer Selbsteinschätzung zu zweifeln, spricht für sich!

Finanzmärkte sind viel effizienter als weithin angenommen

Es gilt die Regel: "The market is a discounter of all widely known information." Finanzmärkte preisen alle bekannten Tatsachen und auch die gängigen Zukunftserwartungen stets unmittelbar in die aktuellen Kurse ein. James Tobin, Nobelpreisträger des Jahres 1981 und einer der führenden US-Ökonomen verdeutlichte dies auf einem Vortrag mit dem folgenden Beispiel: "Ein Professor einer amerikanischen Universität läuft zerstreut und geistesabwesend mit einem seiner Assistenten über den Campus. Plötzlich ruft sein Assistent begeistert: ?Professor, da auf dem Gehsteig liegt eine 100-$-Banknote." Der Professor, ohne aufzuschauen, erwidert kurz: "Das kann gar nicht sein! Wenn der Geldschein je dagelegen hätte, dann wäre er schon längst wieder weg." Genau so funktionieren Finanzmärkte: Wenn die breite Masse der Anleger glaubt, einen Trend erkannt zu haben, ist dieser meist schon wieder kurz vor seinem Ende.

Modetrends sind gefährlich

Meine Jahresprognose für 2004 habe ich im Rahmen eines Vortrages im Februar offiziell vorgestellt. In der anschließenden Diskussionsrunde beschäftigten sich die meisten Fragen mit den damaligen "Modetrends" Hedge Fonds, Gold, China, Indien und Russland. Typischerweise haben genau diese Märkte bzw. Produkte im ersten Halbjahr 2004 die größten Verluste eingefahren. Die Nervosität unter den Anlegern ist in den letzten Tagen erneut deutlich angestiegen. Die Wirtschaftspresse titelt mit negativen Kursprognosen. Die Verunsicherung unter den Anlegern nimmt ständig zu. Das "Handelsblatt" schrieb "Charttechniker warnen vor Kurssturz". Viele Experten - vor wenigen Wochen noch im Bullenlager - haben nun die Seiten gewechselt und rechnen mit größeren Kurseinbrüchen. Die Terrorangst ist weiterhin in den Märkten als Belastungsfaktor eingepreist, die Olympischen Spiele in Athen und der in Kürze stattfindende Wahl-Parteitag der Republikaner werden als mögliche Ziele genannt. In den USA wurde die Terrorwarnstufe bereits erhöht. Die allgemeine Verunsicherung ist mit dem bisherigen Jahresverlauf rational nicht zu begründen, denn der marktbreite US-Leitindex S&P 500 hat seit Jahresanfang lediglich ca. 2% seines Wertes verloren, der MSCI-World ca. 2,5% abgegeben. Die Volatilität des S&P500 war in den sechs Monaten von Januar bis im Juni dieses Jahres extrem gering. Die monatlichen Veränderungen lagen jeweils zwischen -2% und + 2%. Eine so geringe Schwankungsbreite beobachtete man letztmalig von Februar bis August 1964 (!). Das Gesamtjahr 1964 erbrachte einen absoluten Ertrag von 16,5%.

Fazit

Ein größeres Wertpapierdepot professionell zu managen und die tägliche Informationsflut sinnvoll zu selektieren, ist für viele Anleger heute ein Vollzeit-Job geworden. Wobei die eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen dabei stets so realistisch wie möglich eingeschätzt werden sollten. Anleger, die ihre eigene Ausrichtung jeweils kritisch hinterfragen, vermeiden dabei die größten Risikofaktoren: Die eigene Selbstüberschätzung und eine selektive, ihrer jeweiligen Ausrichtung entsprechende, Wahrnehmung der Realität.

 

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