Dollar-Absturz voraus?
Die Analysten, Marktkommentatoren und die vereinte Wirtschaftspresse sind sich einig. Es wird eine weitere, kräftige Abschwächung beim US-Dollar gesehen. Was ist davon zu halten? Wie werden die weltweiten Aktien- und Rentenmärkte darauf reagieren? Das Anlegermagazin "Börse Online" widmet dem Greenback in Ausgabe 43/2003 vom 16.10.2003 seine Titelgeschichte "Dollar-Debakel". EZB-Chef Wim Duisenberg wird mit den Worten zitiert "Wir hoffen und beten, dass die Abwertung langsam und schrittweise vonstatten geht." Fast alle Kommentatoren und Analysten gehen ebenfalls von einer weiteren Dollarschwäche aus. Kursziele von 1,25-1,45 machen die Runde.
Analysten sahen eher Dollarstärke für 2003 voraus
Um die Nachhaltigkeit und Aussagekraft dieser "Einigkeit" bei den Prognosen zum EUR-USD-Verhältnis einschätzen zu können, genügt ein Blick zurück an den Jahresanfang. Die Handelsblatt-Kapitalmarktprognose 2003 erschien am 30.12.2002. Es wurden die Prognosen verschiedener Institute zum EUR-USD-Verhältnis abgefragt. Die Mehrheit der Analysten ging von einem per Saldo unveränderten Wechselkurs (ca. 1,05 EUR) binnen Jahresfrist aus. Die Prognosen im Wall Street Journal sahen mehrheitlich einen stärkeren US-Dollar voraus (siehe Grafiken).
Viele Belastungsfaktoren bereits eingepreist
Die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte sind den Märkten längst bekannt. Vor allem das Defizit der USA im Handel mit Gütern und Dienstleistungen beträgt aktuell rund 5% des dortigen Bruttoinlandsprodukts. Vor allem gegenüber Asien ist das Defizit sehr hoch. Der politische Druck auf China und Japan wächst indes. China hat daher bereits angekündigt, Steuervorteile für Exporteure zu beschneiden.
Langfristiger Einfluss auf die Aktienmärkte wird übertrieben
Trotz eines im Jahresverlauf kräftig nachgebenden US-Dollars sind die europäischen Börsen angestiegen. Die Währungsentwicklung diente jedoch oft zur vordergründigen Erklärung von Kursbewegungen an den jeweiligen Aktienmärkten. Während zu erwartende Währungsgewinne bzw. Verluste das Anlegerverhalten maßgeblich beeinflussen, wirkt sich die Gewinnsituation der Unternehmen in den unterschiedlichen Währungsräumen gegenteilig aus. Obwohl z.B. ein exportorientiertes US-Unternehmen höhere Umsatzerlöse -in USD gerechnet- im Ausland erzielt, wird es für ausländische Anleger durch die Währungsverluste der Aktie trotzdem unattraktiver. Die Effekte heben sich in der Summe mittel- bis langfristig auf. Die Währungsentwicklung übt im langfristigen Vergleich nicht den ihr zugebilligten Einfluss auf die Aktienmärkte aus, ähnlich gilt dieses für die Anleihemärkte.
Ausblick
Eine nachhaltige, sich verschärfende Dollarschwäche erwarten wir nicht. Die geballten, kritischen Kommentare und aktuell tendenziell eher negativen Prognosen sind hinlänglich bekannt. Alle Verantwortliche, vor allem die Notenbanken, sind sich der kritischen Situation bewusst. Die Haushaltssituation und Leistungsbilanz der USA wird sich mittel- bis langfristig eher entspannen, als zu einer Verschärfung der Situation beizutragen. Es gibt gewichtige Risikofaktoren für den Euro, die aktuell nicht oder nur vereinzelt diskutiert werden. Die EU-Ost-Erweiterung, die ebenfalls hohen Defizite und die schwindende Haushaltsdisziplin im Euroraum und die noch nicht beseitigten, strukturellen Probleme werden an den Devisenmärkten derzeit -noch- eher ignoriert.
Fazit
Wir sehen die weitere Entwicklung gelassen und gehen von keinen dramatischen Veränderungen bei den Wechselkursen aus. International agierende Anleger sollten die Währungsräume in Euroland und den USA bei ihrer Gewichtung dem MSCI-World anpassen. Die positiven und negativen Effekte der Währungsentwicklung heben sich größtenteils gegenseitig auf.