Mythologie dies hard and slowly?
Der gerade begonnene Monat September erfreut sich einer selten da gewesenen, breiten Beachtung. Es werden täglich neue Statistiken herumgereicht, die ihn als historisch schwächsten Börsenmonat ausweisen. Im Resultat wird zur saisonal begründeten Vorsicht an den Aktienmärkten geraten: Geplante Neukäufe sollten zurückgestellt werden, bis der stürmische Monat vorbei sei. Fast alle großen Kurseinbrüche fanden im Herbst statt. Wir haben in diesem Zusammenhang gemeinsam mit Fisher Investments (www.fisherinvestments.com) die aktuell gängigsten Mythen unter den Anlegern einer statistischen Überprüfung unterzogen und interessante Details festgestellt. Fast alle weit verbreiteten Börsenregeln halten einer tiefer gehenden Kontrolle nicht stand. Eine Auswahl der gängigsten Argumente der Skeptiker haben wir in dieser Studie zusammengetragen.
Scary September?
Investoren sind höchst beunruhigt über die schwachen Herbstmonate, insbesondere dem September. Sollte man nun verkaufen und erst in ein paar Monaten an die Aktienmärkte zurückkehren? In den letzten 77 Jahren fiel der S&P 500 im Durchschnitt 0,95% und der September ist damit auch der einzige Monat mit einer negativen durchschnittlichen Rendite im von uns untersuchten Zeitraum. Historisch ist er also tatsächlich der mit Abstand schwächste aller Börsenmonate. Februar und Oktober sind mit nur +0,4% im Durchschnitt, die zweit- bzw. drittschlechtesten Monate. Der September ist auch der einzige Monat, der mehr negative als positive Handelstage verzeichnen musste. Im Dax ist der September mit einem Minus von 2,5% in den letzten 37 Jahren ebenfalls der deutlich schlechteste Monat. Lediglich der Mai mit durchschnittlich 0,6% brachte ebenfalls Verluste. Trübe Aussichten auf den ersten Blick. Doch sehen wir genauer hin: Unter den 10 schlechtesten Börsenmonaten überhaupt, befindet sich mit 1931 auf dem Höhepunkt der großen Depression - nur ein September. Nimmt man diesen besonders schwachen September aus, so ergibt sich auch nur ein geringfügig besserer Durchschnitt, der September bleibt der schwächste Monat. In Jahren nach Bärenmärkten haben die Aktienmärkte jedoch meistens positive Erträge im September gebracht. September 1943 +2,4%, September 1950 +5,6%, September 1954 sogar +8,3%, September 1967 +3,3% und September 1983 +1,0%. Anders ausgedrückt, zyklische Aufwärtsbewegungen schlagen saisonale Effekte. Wir erwarten einen positiven September. Viele Anleger sind weiterhin nicht bzw. nicht voll investiert. Der Performancedruck der Fondsmanager nimmt mit jedem starken Tag zu.
Haben Insider den besseren Durchblick?
Ein weiterer Kritikpunkt der Bären ist das hohe Level an Insiderverkäufen. Auch hier haben wir uns die Zahlen genauer angesehen und müssen dem Marktkonsens und den Medien in ihrer negativen Einschätzung der Daten klar widersprechen. Das wöchentliche insider selling/buying data von Vickers (Vickers Weekly Insider Report) geht zurück bis 1971. Der historische Durchschnitt ist 2,0 zu 1, in anderen Worten, es gibt durchschnittlich immer zwei Mal so viel Insiderverkäufe als Insiderkäufe. Jedes Mal wenn das Verhältnis über 2 notierte, stieg der S&P 500 durchschnittlich in den nächsten drei Monaten um 1,4% und 65% aller Zeiträume brachten positive Erträge. In Perioden, in denen das Verhältnis 3,2 zu 1 betrug (die aktuelle Zahl), einmal mehr, drei Monate später notierte der S&P 500 1,4% höher und in 67% aller untersuchten Zeiträume. Das aktuelle Niveau an Insiderdaten ist ähnlich dem vom Herbst 1991, als der Markt seine Erholung nach dem Bärenmarkt von 1990 bis 1991 gestartet hat. Insider scheinen also gegenüber anderen Anlegern keine signifikanten Vorteile aus ihren Kenntnissen ziehen zu können.
Der Zusammenhang zwischen den Volatilitäten und Kursbewegungen
Der VIX (the basic S&P put and call based volatility index) sei aktuell so tief, der Markt überkauft und das Sentiment zu gut. Aktienkurse könnten daher nicht weiter steigen. Dieser Gedanke ist weit verbreitet, gleichermaßen unter Tradern, Privatanlegern und den Medien, die einfache Regeln lieben. Doch die Realität sieht anders aus: Der VIX signalisierte einzelne Kursgipfel oder Täler, andere jedoch nicht. Er signalisierte auch angeblich bevorstehende Bewegungen, die anschließend nicht stattfanden. In der genauen Überprüfung waren die Resultate in der Summe schwach zu schwach. Der Korrelations-Koeffizient (correlation coefficient CC) zwischen dem VIX und dem S&P 500 beträgt 0,6. Auf den ersten Blick nicht so schlecht. Aber der CC gegen den S&P 500 nach einer Woche ist 0,03. Ein Wert, der für eine Prognose des Kursverlaufes der folgenden Woche nutzlos ist. Auf Monatssicht 0,12, ebenso nutzlos. Drei Monate 0,01 auf Jahressicht ebenfalls 0,01. In der Zweijahressicht sogar 0,12, sogar schlechter als nichts. Es gibt also keine Korrelation zwischen dem VIX und dem S&P 500 in den untersuchten Zeiträumen. Der VIX als Timing-Tool ist unbrauchbar ganz simpel nutzlos. Trotzdem findet er weitläufige Beachtung. Mythos.
Isolierte Betrachtung einzelner Sentimentindikatoren
Die Sentiment-Indikatoren deuten auf einen angeblich überkauften Markt hin. Namentlich die von Investors Intelligence (Verfasser von Börsenbriefen) und der American Association of Individual Investors, AAII (deren monatliche Übersicht erfasst retail investors) seien zu positiv und damit ein Kontraindikator für die Aktienmärkte. Im Frühjahr 2000 zeigte Ken Fisher bereits im Financial Analysts Journal (Investor Sentiment and Stock Returns) mit Prof. Meir Statman, dass es auf keiner Zeitebene nutzbare Korrelationen zwischen den beiden Indikatoren gibt, die es ermöglichen würden, die nachfolgenden Kursbewegungen einzuschätzen. Doch die Anleger lernen nur langsam - ignorieren diesen Sachverhalt und nutzen die Indikatoren weiter.
Bewertung von Aktien mit Hilfe des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV)
Marktkonsens ist aktuell: Die Bewertungen sind hoch bis zu hoch. Gehen wir einfach einmal 40 Jahre zurück: 1963 war das KGV des S&P 500 ähnlich hoch wie es jetzt war. Die langfristigen Anleihen rentierten mit ca. 5% ebenfalls auf dem heutigen Niveau. Die Aktienmärkte entwickelten sich in den anschließenden ein, zwei, fünf und 40 Jahren hervorragend. Wenn sie dies damals konnten, warum sind dann nun die Bewertungen zu hoch für die nächsten ein, zwei, fünf oder vierzig Jahre?
Die Verschuldung in den USA ist zu hoch
Weit verbreitet ist ebenfalls das Argument der zu hohen Verschuldung in den USA. Was ist dran? Wir haben die Daten seit 1946 untersucht. Es gibt einige erwähnenswerte Fakten: Die gesamte öffentliche Verschuldung als ein Prozentsatz des GDP ist nicht höher als in den Sechziger Jahren. Sie ist nur unwesentlich höher als in den Siebziger Jahren und nicht höher als in den Achtziger Jahren. Die Zinsniveaus waren damals jedoch sogar höher. Das Haushaltsdefizit in Prozent zum GDP als nächster Punkt: Verglichen mit den Siebziger und Achtziger Jahren ergibt sich heute sogar ein geringerer Wert als damals. Wenn es damals kein Problem darstellte, warum nun? Und mit heute sogar tieferen Zinssätzen, warum sollten die Märkte dies nicht tolerieren können? Die private Verschuldung der Konsumenten hingegen ist tatsächlich etwas höher als damals, jedoch nur ein paar Prozentpunkte. Diese höhere Verschuldung ist jedoch bei den heute wesentlich tieferen Zinssätzen leicht zu schultern. Wenn die Märkte in den letzten 20 bzw. 30 Jahren gute Erträge abwarfen, warum sollten dann vergleichbare Schuldenstände bei eindeutig tieferem Zinsniveau ein Problem für die Aktienmärkte sein? Mythos.
Die Welt bricht zusammen
Aktuell bestimmen negative Nachrichten die Medien und öffentliche Diskussionen. Negative Nachrichten werden zu Schlagzeilen, gute Nachrichten werden eher als Ausreißer gesehen und nicht beachtet. Der langsamen aber kontinuierlichen Erholung der Wirtschaft in Westeuropa wird kaum Bedeutung zugemessen, aber den Problemen am Arbeitsmarkt in den USA. Überraschungen bewegen die Märkte, aktuelle Themen und Diskussionen sind längst in den Kursen eingepreist. Das Unerwartete wird eher das Positive sein. Die Gewerkschaften haben in Ostdeutschland eine geradezu historische Niederlage erlitten, doch das Signal wird ignoriert. Viele strukturellen Probleme der Wirtschaft sind in letzten Monaten teilweise gelöst oder überhaupt erst jetzt als solche erkannt worden. Die eingeschlagene Richtung stimmt. Viele werden dies jedoch klassischerweise erst erkennen, wenn diese positiven Entwicklungen längst bekannt, ausdiskutiert und eingepreist sind. They will only see it after the fact.
Fazit
Es ist immer wieder erstaunlich, dass die Mehrheit der Anleger eher auf Mythen als auf bewiesene Zusammenhänge vertraut, als zu lernen und die vermeintlichen Börsenregeln einmal kritisch zu hinterfragen um herauszufinden, ob diese überhaut werthaltig für Anlageentscheidungen sind. In unserer Gesellschaft ist es oft so, dass wenn viele Marktbeobachter dies so verkünden, es die Masse der Anleger glaubt. Unsere Aufgabe ist es auch, solche nutzlosen nur vermeintliche - Zusammenhänge zu erkennen. Die Bären unter den Anlegern und Marktbeobachtern können und wollen alle Argumente nur aus negativer Sicht interpretieren. Es ist wichtig diese Zusammenhänge zu durchschauen, die Mythen von den Fakten zu trennen und die eher positiven Dinge, die vor uns liegen zu erkennen.